reCampaign: Strategien für den digitalen Wandel – ein Rückblick

Digitale Trends
reCampaign: Strategien für den digitalen Wandel - ein Rückblick

Zwei Tage reCampaign, das heißt jede Menge Input, Kontakte, Austausch, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Verbänden treffen, Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. ReCampaign, das ist das „Klassentreffen“ der Campaigner aus der nonprofit- und NGO-Szene und drum herum. In diesem Jahr stand es unter dem Leitgedanken: „Strategien für den digitalen Wandel“. Was macht dieses Treffen aus? Ein paar Gedanken im Rückblick.

Sich selbst bezeichnet die reCampaign als „das Branchentreffen für Online-Campaigner/innen aus Zivilgesellschaft, Stiftungen und der Kommunikationsbranche.“ Das Ziel der Veranstaltung (sie fand inzwischen zum siebten Mal statt) ist es „Analysen, Tipps und Diskussionen rund um die erfolgreiche Kampagnenarbeit im Netz – von Profis für Profis“ zu geben.

Längst ist sie aber darüber hinaus gewachsen. Denn es geht nicht mehr nur um ein Treffen der „Onliner“. Diese Unterscheidung zwischen Online-Aktivitäten und -Aktionen auf der einen und Offline-Aktivitäten, also dem klassischen Campaigning auf der anderen Seite, ist nicht mehr zeitgemäß. Das war die einhellige Meinung auf der Veranstaltung. Online ist längst keine Spielwiese mehr für Spezialisten oder Early Adopter und Offline ist auch nicht mehr das allein Richtige. Das eine geht nicht ohne das andere. Deshalb sollte diese Trennung auch in den Köpfen aufgegeben werden.

Für alle, die diese Veranstaltung nicht kennen, ein paar Infos vorweg: Der erste Tag ist geprägt von Keynotes und Workshops. Der zweite Tag ist als Barcamp ausgelegt.
In diesem Jahr gab es die Keynotes von Elisabeth Wehling („Politisches Framing und Neurokognitive Kampagnenführung“) und von Tristan Harris („Ethical Design – why it matters.“).

Die Keynotes zum Einstieg

Am interessantesten war für mich die Keynote von Elisabeth Wehling vom Berkeley International Framing Institut über Politisches Framing – Wie sich eine Nation Denken einredet.
Der Kerngedanke von Framing ist, dass jeder sich über Frames einen Bedeutungsrahmen für abstrakte Begriffe schafft. Frames sind in den synaptischen Bahnen des Gehirns „verdrahtet“. Das heißt, ohne Nachzudenken, im Bruchteil von Sekunden steht fest, ob ein Begriff, eine Sache positiv oder negativ besetzt ist. Dies führt unmittelbar zu entsprechenden Handlungssträngen und Denkmustern. Die Entscheidung über das Eine oder das Andere hat das Gehirn längst getroffen, bevor es einem bewusst wird.

Ein Bespiel: Für einen abstrakten Begriff wie „Steuern“ entscheidet der Frame, ob der Zusammenhang gut oder schlecht ist (Steuer-Erleichterung versus Steuer-Last). Dem entsprechend fällt unsere Reaktion aus. Als Obama sein Programm für eine Gesundheitsreform in den USA vorstellte, verband sein Kommunikationsteam sie mit dem positiven Frame „Patriotismus“, ein für Amerikaner sehr hoher und wichtiger Bezugsrahmen. Nach seiner Wahl zum Präsidenten wechselte das Kommunikationsteam. Es ignorierte den gesetzten Frame, so dass die Republikaner die Gesundheitsreform mit dem konservativen Frame „Produkt“ verbinden konnten. Ein Produkt kann man kaufen oder nicht. Es allen Amerikanern zu verordnen ist ein Eingriff in die Freiheitsrechte. Mit dieser Änderung des Frames wurde somit der Deutungsrahmen geändert, was fatal war für die Einführung der Gesundheitsreform.

Insgesamt fand ich es hoch spannend zu sehen, wie der Gedanke der im Gehirn vorhandenen „Frames“ festlegt, wie Fakten verarbeitet werden und letztlich Handlungen und Denken unbewusst gesteuert wird. Natürlich gibt es immer auch die Option, Frames in ihrer Bedeutung zu ändern. Nur ist das aufwendig. Besser ist es – gerade für die Arbeit von NGO’s und gemeinnützigen Organisationen, die ja per se positiv sind – auf positive Frames zu setzen und sie zu nutzen. Das verstärkt und unterstützt die eigenen Aktivitäten.

Bleibt natürlich die Frage, was bedeutet das für unsere Pressemitteilungen, Texte und Veröffentlichungen. Wie müssen sie formuliert sein, um positive Frames zu bedienen? (Anhören könnt ihr Euch den Vortrag über das Archiv der reCampaign, zum Beispiel hier: Politisches Framing und ….)

Bei den Workshops und auch den Barcamp-Sessions waren für mich die Themen „Gegen den Hass“, Umgang mit Hate Speech interessant und aufschlussreich. Denn Hass, Aufrufe zu Gewalt, Null-Toleranz gegen Andersdenkende gibt es offensichtlich bei allen NGOs. Logisches Fazit: Warum nicht verbünden und sich gegenseitig informieren. Flugs wurde eine eigene Facebookgruppe gegründet (Bande gegen hatespeech – Beitritt nur auf Empfehlung), um sich auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen. Ich finde ein gutes Ergebnis des Treffens!

Ein anderes Thema waren die „Medien-Trends für NGOs“  von und mit Jona Hölderle. Die Slides kann ich nur jedem empfehlen, der sich mit dem Thema befasst. Von Personalisierung, Individualisierung von Content über 3D, 360°-Video bis zu Online-Spenden war alles dabei, was wichtig ist.

Ein Gedanke aus der Session: Websites sind „nur“ für Information da. Kommunikation findet im Social Web statt. Wir müssen lernen zwischen Information und Kommunikation zu unterscheiden. Da bleibt viel Arbeit für die Köpfe.

Leider ist das nächste Treffen erst im Frühjahr 2018. Aber vormerken sollte man sich den Termin schon.

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