„Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan.“

Glauben
„Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan.“

„Tauschgeschäfte“ – Ein „gelernter“ DDR-Bürger weiß was das bedeutete: Bargeld spielte in der alten DDR keine allzu große Rolle. Viel wichtiger und interessanter war, ob der andere etwas hatte, was ich gebrauchen konnte.

Als wir damals, als frisch verheiratetes Ehepaar nach Barth/Ostsee zogen und einen Handwerker brauchten, fragte dieser, was wir denn zu bieten hätten. Auf die Antwort hin, dass wir ein Pastoren-Ehepaar sind sagte er: „Getauft bin ich, konfirmiert auch, verheiratet auch, aber sterben will ich noch nicht.“ Ob wir nicht etwas anderes anbieten könnten, war seine Rückfrage. Er war nachher wohl mit einem Päckchen Kaffee zufrieden.

Vieles lief damals über Tauschgeschäfte. Wer was anzubieten hatte, war im Vorteil. Baumaterialien, besondere Lebensmittel, „West-Waren“. Man half sich gegenseitig bei verschiedenen Arbeiten und Aufgaben. Handwerker standen hoch im Kurs.

Was sich etwas nach Sozialromantik anhört, war einfach aus der Not heraus geboren. Es war ja nicht so wie heute: Einfach in den Laden gehen und kaufen, wenn das Kleingeld reicht.

Helfen ohne Gegenleistung

Der Bibeltext aus Matth. 25, 34-40 mutet fast so ähnlich an, wie ein „Tauschgeschäft“: „Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Es könnte als Aufforderung verstanden werden, möglichst vielen Bedürftigen zu helfen, mit allen alles teilen und sich so einen Platz beim König (im Himmel) „erkaufen“. Ein klassisches Tauschgeschäft.

Der Haken an der Geschichte, sind aber die wirklich Betroffenen:

  • Sie waren überrascht, denn damit hatten sie nicht gerechnet
  • Sie haben geholfen, ohne darauf zu schauen: Was bringt mir das, welcher Vorteil ergibt sich aus diesem „Geschäft“
  • Sie hielten es für angebracht zu helfen und sahen nur den unmittelbaren Menschen vor ihnen.

Heute ist das Thema „soziale Hilfe“ vielfach delegiert an Verbände und Vereine. Es gibt gesetzliche Regelungen, Unterstützungen, Beratung. Wer sich auskennt, kommt da schon durch und kann Wege finden. Verhungern oder verdursten muss hierzulande niemand. Ganz im Gegensatz zu damals oder anderen Ländern heutzutage, die ein solches Hilfesystem vielleicht nicht mal im Ansatz haben.

Wie geht Helfen Heute?

Hat sich der Text also erledigt und ist hierzulande erfüllt? Ich denke, dass er über dieses reine Versorgtsein hinausgeht. Er weist eher daraufhin, den anderen, der mir – wo auch immer –  begegnet, in den Blick zu nehmen, ihn als Mensch zu sehen, zu respektieren, zu achten.

1. Ich „sehe“ dich.

Das klingt leichter gesagt, als getan. Denn, es gibt gute Gründe, hier sehr vorsichtig zu sein. Überfälle, Bedrohungen, Angriffe führen dazu, im öffentlichen Raum eher zurückhaltend zu reagieren. Besser nicht auffallen, in der Masse bleiben, verschlossen sein, keine Miene zeigen, „unsichtbar sein“, ist besser – oder?

Wenn dann doch mal ein Lächeln als Antwort kommt, eine freundliche Geste, ein gutes Wort ist das ungewöhnlich – aber beflügelt. Es macht den Tag freundlicher.

Also Punkt 1 gelernt: Ein Lächeln, ein freundliches Wort, eine aufmerksame Geste können Wunder bewirken und einem anderen Menschen den Tag verschönern.

2. Ich „achte“ auf dich.

Ein zweiter Aspekt: Wen sehe ich, wenn die Menschen auf der Straße, im öffentlichen Verkehr an mir vorbeiziehen oder mit mir in der Bahn, dem Bus fahren? Manchmal ist es schon riskant, die Menschen „zu sehen“, sie wahrzunehmen, wie sitzen, stehen oder liegen sie da. Was mag in ihren Köpfen vorgehen, welche Musik hören sie gerade, was lesen sie, was mag sie erwarten am Ziel der Fahrt.

Jesus sagt: Sieh mich in ihnen. Sie sind Menschen genau wie du. Sie sind geliebt von mir, genau wie du (auch wenn sie es nicht wissen oder nicht wollen). Vielleicht brauchen sie gerade jetzt ein Gebet von mir, einen guten Gedanken, einen freundlichen Blick. Vielleicht auch ein paar Cent, um über die Runden zu kommen oder einen Tipp, der ihnen hilft.

3. Ich bin „beschenkt“.

Und ein dritter Gedanke: Was ich tue, bleibt nicht ohne Folgen. Klar kann ich nichts tun. Dann bleibt es auch so wie es ist (im besten Fall). Eine vertane Chance. Aber oft lässt sich auch beobachten: Ein Lächeln wird freundlich „beantwortet“. Ein gutes Wort, ein guter Gedanke stimmen mich selbst positiv. Sehr deutlich sichtbar wird das auch bei der praktischen Hilfe.

Helfen heißt „Sehen“

Also sind das doch alles nur „Tauschgeschäfte“, ich gebe etwas, um mich am Ende selbst gut zu fühlen? Nein. Es geht nicht um den Austausch von Leistungen, Gefühlen oder Werten. Das wäre berechnend und man könnte im Vorhinein sagen, wenn so viel investiert wird, kommt unter Strich so viel raus. Das wäre zu kurz gedacht.

Mit dem Bild will Jesus etwas anderes verdeutlichen: Nehmt einander war. Achtet aufeinander. Seht darauf, was der jeweils andere braucht. Nicht pauschal, sondern individuell und ganz persönlich. Das ist es auch, was Jünger sein ausmacht: den anderen oder die andere „sehen“, wie Jesus sie/ihn sieht und so helfen und begegnen, wie es hilft.

Das ist etwas anderes, als hilfebedürftige Menschen mit Almosen oder Hilfen zu „überschütten“ nach dem Motto: jetzt muss es ihm aber auch gut gehen. Den anderen wahrnehmen hilft ihm oft mehr, als es Spenden und materielle Güter können. Sicher gehören sie dazu. Aber im richtigen Maß, an der richtigen Stelle.

Und Hand aufs Herz, wer ist nicht selbst viel beschenkter weitergegangen, wenn man jemand anderes in unterschiedlichster Form freundlich helfen konnte.

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