Du hast dein Ziel erreicht.

Glauben
Frau steht mit ausgebreiteten Armen auf einer Säule © unsplash.com/Eilis Garvey

Neulich hat mir Facebook einen Post mit dem Satz: ‚Du hast dein Ziel erreicht.‘ in die Timeline gespült. Vollständig lautet der Satz: „Eigentlich hoffen wir doch alle auf diesen einen Menschen, der unser Navi ausstellt und sagt: ‚Du hast dein Ziel erreicht.‘“

Sofort regen sich Zustimmung und Widerspruch in mir: Zustimmung: ja, genau das ist es. Ich will nicht immer nur Suchen, sondern auch Finden, Ankommen, endlich da sein.

Aber andererseits ist doch der Weg das Ziel. Bei einer Reise, einer Auto- oder Bahnfahrt das Ziel erreichen, ist ok. Denn das war ja Sinn und Zweck des Ganzen. Aber im Leben das Ziel erreichen? Dann muss ein neues Ziel her. Einfach „nur ankommen“ und dann … Nichts. Das kann es doch nicht sein. „Leben“ ist doch ein beständiges Vorwärtsgehen. Die Zeit bleibt doch auch nicht stehen. Stehen bleiben geht nicht, denn das wäre doch fast so wie Rückschritt.

Text im BIld: „Eigentlich hoffen wir doch alle auf diesen einen Menschen, der unser Navi ausstellt und sagt: ‚Du hast dein Ziel erreicht.‘“ - Autor unbekannt

Also sind Ziele doch nichts anderes wie Wegmarken, Meilensteine, über die man sich freut (Klar doch!). Aber dann geht es weiter. Oder etwa nicht?

Was immer das Ziel war, es ist erreicht. Vielleicht ein lang gehegter Wunsch, ein Traum wurde war, eine Arbeit kam zum Abschluss. Für den Moment wird der Punkt genossen. Vielleicht gibt es eine Feier, einen Umtrunk. Aber dann geht es weiter. Denn das Leben, die Zeit bleibt doch auch nicht stehen. Der Gedanke: Sie haben das Ziel erreicht – und dann erst einmal nichts weiter, dieser Gedanke passt nicht in unsere „bewegte“ Zeit. Alles muss doch in Bewegung sein und bleiben. Stillstand ist Rückschritt und ist jenseits dessen, was gemeinhin als normal empfunden wird. Oder etwa nicht?

Ziel erreicht / Angekommen!

Nehmen wir noch mal den Faden vom ersten Gedanken auf.

Ich erinnere mich noch sehr genau an unsere letzte Urlaubsreise im Februar 2023. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als die Reise begann. Fast zwei Tage waren wir unterwegs, bevor das Ziel in Sichtweite kam. Dann, endlich da, endlich angekommen. Aus dem Flieger aussteigen, die Gangway lang gehen, durch die Kontrollen, angekommen. Es war ein unbeschreibliches Gefühl des Glücks. Monatelange Planungen, Ziele raussuchen, Sehenswürdigkeiten finden, Hot Spots entdecken – planen, kalkulieren, rechnen, alles nur Theorie und jetzt ist der Moment da, an dem alles Wirklichkeit wurde. Nur noch Freuen und Genießen. Das Ziel war erreicht. Es war ein unbeschreiblicher Moment des Glücks und der Freude.

Sie haben ihr Ziel erreicht

Wie oft werden Ziele abgesteckt, Meilensteine definiert und ihr Erreichen einfach nur abgehakt. Es geht weiter, zum nächsten Projekt. Zeit, das Erreichte zu würdigen, sich zu freuen, bleibt oft nicht. Zu oft drängt das nächste Projekt, die nächste Aufgabe. Manchmal ist das Ziel auch nur „schöngeschrieben“, weil noch zu viel Unerledigtes auf dem Weg liegenbleiben musste.

„Sie haben ihr Ziel erreicht“ – vielleicht zu spät, vielleicht gerade so, vielleicht gehen Hektik und Stress nahtlos über in das Nächste.Ziel erreicht, Aufgabe erfüllt, bereit für was Neues.

Wie gut wäre es doch, wenn man das einmal im Leben sagen könnte und dann für einen Moment die Welt stillstehen kann – bevor der nächste Punkt beginnt.

Ziel erreicht – ich will noch nicht

Wie ist das mit meinen Lebenszielen? Es gibt ja den Spruch, dass jeder im Leben ein Haus gebaut, ein Kind gezeugt und einen Baum gepflanzt haben sollte.

Oder die anderen Ziele: Schule/Abitur gut geschafft, was Ordentliches gelernt/studiert, eine Familie gegründet, ein gesichertes, gutes Einkommen haben.

Sind das die Ziele für ein Leben, für mein Leben? Was ist mit denen, die diese „Ziele“ nicht erreichen (können)?

Ein Ziel erreicht haben hat so was von „habe fertig“. Da ist etwas zum Abschluss gekommen. Aber gilt das auch für mein Leben? Ich will noch nicht angekommen sein. Es gibt noch so viel zu sehen, zu entdecken. Ich habe mir noch so vieles vorgenommen. Jeder Lebensabschnitt hat seine Ziele, seine Herausforderungen. Sie wollen erreicht und gemeistert werden. Es gibt noch so viele Ziele, die nur darauf warten, in Angriff genommen zu werden. „Ziel erreicht“ ist da wirklich die falsche Antwort.

Genau an diesem Punkt liegt auch die Rebellion: Es sind die vielen Ziele, die eher nur Meilensteine oder Abschnitt im Leben sind. Aber DAS Ziel im Leben darf bitte noch warten.

Leben ist unverfügbar

Aber bleiben wir einen Moment stehen und denken nach. Ist es wirklich mein Verdienst, wenn ich mal nicht krank bin, wenn mein Gehalt größer ist, als ich wirklich zum Leben brauche. Kann ich es meiner Intelligenz zuschreiben, dass ich pünktlich von A nach B gekommen bin oder sind da nicht viele Faktoren, die perfekt zusammenspielen müssen?

Ich habe nichts dazu getan, wann, wo und wie mein Leben begonnen hat. Ich war da und kann nur einen Schritt nach dem anderen gehen.

Das Planen und Zielestecken im Leben vermittelt den Eindruck, (fast) alles sei verfügbar, kann von mir gelenkt und gesteuert werden. Bei Licht betrachtet ist da sehr viel Hybris dabei.

Wann komme ich ans Ziel

In der Bibel, in Lukas 2, 25-29 wird von dem alten Simeon berichtet, der sein ganzes Leben auf die Rettung Israels gewartet hat. Als er Maria mit Jesus auf ihren Armen kommen sah wusste er: Das Ziel ist erreicht. Meine Augen haben deinen Heiland gesehen. Sein Leben ist erfüllt. Er ist am Ziel.

Paulus hat es in seinem zweiten Brief an seinen Mitarbeiter ähnlich gesagt:

„Ich habe den guten Kampf gekämpft, das Ziel erreicht und den Glauben unversehrt bewahrt.“

2. Timotheus 4,7-8

Über das Ende des Lebens nachzudenken, also die Ziellinie gelegentlich bewusst in den Blick zu nehmen, ist doch etwas, das die meisten von uns möglichst lange und weit hinausschieben. Denn dieser Zeitpunkt ist wie eine Nebelwand: Man weiß nicht was kommt.

Für manche kommt da nichts. Es geht in ein großes Nichts. Deshalb gilt es, am besten jetzt, vor der großen Nebelwand, so viel genießen, wie irgend möglich. Den Gedanken daran so weit wie möglich wegschieben.

Für andere ist die Nebelwand der Durchgang zu einer wunderbaren Welt. Das Hier und Jetzt “nur” eine Vorstation, eine Vorbereitungszeit. Es ist keineswegs ein Vertrösten und auch kein Warteraum, in dem die Zeit vertrödelt oder totgeschlagen werden muss. Hier und Jetzt ist es eine Zeit, die auf ihr Ziel zuläuft. Sie will gestaltet, gelebt werden.

Ein Kreuz auf einem und im Hintergrund geht die Sonne unter.
© unsplash.com/Cdoncel

Karfreitag – Ostern 2024

Wir stehen kurz vor Karfreitag und Ostern. Wie wird es in diesem Jahr sein? So wie immer oder doch mal bewusst das Geschehen um Jesus wahrnehmen. „Du hast dein Ziel erreicht“, hieß es für ihn am Kreuz. Es ist der Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit, der Erde. Es lohnt sicher, einen Moment darüber nachzudenken.

„Du hast dein Ziel erreicht“

In dem Satz schwingt viel mit, wenn das Nachdenken beginnt. Positives, wenn Ziele erreicht und unbeschreiblich große Glücksmomente ausgelöst wurden. Distanziertes, wenn manche „Ziele“ noch hinausgeschoben werden. Es ist ein Satz, der über die lapidare Navi-Ansage hinausreicht, Fragen stellt, herausfordert und zu Antworten provoziert. Welche wirst Du geben?

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