Im ersten Teil der Überlegungen ging es um die Darstellung der Ausgangssituation: Ist die Diakonie bereits auf dem Kommunikations-Markt angekommen und unterwegs oder doch eher noch in der gewohnten (alten) Umgebung geblieben? Im zweiten Teil geht es mehr um die Möglichkeiten und Chancen: Was ist zu tun, damit die Diakonie fit wird für die aktuellen Herausforderungen? Als erstes gilt:
Neues wagen
Was würde aber ein sich Einlassen auf neue Wege und Herausforderungen durch die Digitalisierung für die Arbeit der Diakonie bedeuten?
Am Anfang muss die Erkenntnis stehen, dass Kommunikation (wirklich) neu zu denken ist. Die tradierten Netzwerke, Strukturen und bekannten Bahnen funktionieren zwar noch eine Weile. Aber daneben sind andere Wege entstanden, die oftmals schneller und effizienter zum Ziel führen und näher bei den Menschen und ihren Fragen sind. Zukünftig wird immer öfter zu beobachten sein, dass die gewohnten Wege ins Leere führen. Auch wenn sie noch genutzt werden, so verlieren sie doch unaufhaltsam an Wirkung und Relevanz. Deshalb ein paar Denkanstöße:
Neue Netzwerke bilden
Bei Netzwerken ist die Übereinstimmung im Ziel, in der Aufgabe viel entscheidender, als die Berücksichtigung aller verbandlichen Interessen. D.h. die Frage, mit wem kann ich mein Ziel erreichen, ist wichtiger als alles Proporzdenken. Dann kann es schon mal vorkommen, dass in einer Projektgruppe Teilnehmer dabei sind, die einen völlig anderen Background haben, aus der Wirtschaft kommen oder von anderen (konkurrierenden oder Partner-) Verbänden kommen, die aber das Ziel mittragen. Unkonventionelle Lösungen entstehen, neue Ideen und Ansätze, die Mut und Gründergeist erfordern. Sie führen letztlich zu smarten, innovativen Lösungen.
Trends kennen und nutzen
Zum zweiten ist es notwendig, aktuelle Trends und Entwicklungen in der Online-Kommunikation zu verfolgen und zu fragen, was sie für die Arbeit der Diakonie beitragen oder wie durch diese Trends die Anliegen der Diakonie noch besser, effizienter und direkter in die Öffentlichkeit gebracht werden können. Konkret: es geht nicht um ein abwartendes Prüfen, sondern ein aktives Testen und Machen.
Beispielsweise das Einsetzen und Nutzen von Googles AMP-Technologie (Accelerated Mobile Pages), Facebooks Instant Articles, die Entwicklung von Bots für Messenger (Facebook Messenger, etc.), Aufbau und Nutzung von Pushdienste (Broadcasting) für WhatsApp, Live-Video mit Facebook und Periscope. Es geht um das Erfahrungen sammeln mit Snapchat. Strategien und Lösungen, um Youtube nicht mehr nur als Ablageplatz für Videos zu nutzen, sondern aktiv Serviceangebote aufzubauen und einzusetzen (Ratgeberkolumnen, „Diakonie-Nachrichten“ als Videosendung, usw.). Hier ist beispielsweise die Diakonie Bayern auf gutem Weg. Das ist aber nur ein kleiner Teil. Die Palette ist weit größer.
Notwendig ist es genau (!) hinzuschauen und zu sehen, wie Internettechnologien, Geräte und Programme heute genutzt werden und wie sie, die User erwarten, dass hier Lösungen und Angebote von der Diakonie bereit stehen. Da besteht noch viel Arbeit am Umdenken und Lernen.
„Zukunfts-Lab der Diakonie“
Eine dritte Beobachtung: Was meiner Meinung nach fehlt und für einen Verband wie die Diakonie im Grunde unabdingbar wäre ist eine Plattform für Zukunftstechnologien. Zum Beispiel eine „Denkfabrik“ für soziale Aufgaben, ein „Trend-Lab der Diakonie“. Die Digitalisierung verändert die Kommunikation, sie verändert und schafft neue Technologien und Lösungen, die zu mehr Beteiligung resp. Teilhabe führen (z.B. Karten mit rollstuhlgerechten Orten, AR-Brillen für Alzheimer, 3D-Druck von Hilfsmitteln bzw. Reproduktion von Organen, VR für mobilitätseingeschränkte Menschen, um ihnen andere Orte nahe zu bringen, Sprachsteuerung von Geräten, BigData in der Forschung, Telemedizin, usw. usw.). Wo ist der Platz in der Diakonie, um diese Entwicklungen gemeinsam zu verfolgen, darin zu investieren und eine Nutzung zu erproben? Eine einzelne Einrichtung, ein Verband stoßen dabei schnell an Grenzen. Hier gibt es den Vorteil des Gesamtverbandes, Vor- und Querdenker zusammenzubringen und ihnen Freiräume und Ressourcen bereitzustellen.
„Shark Tank“ für soziale Startups
Eine vierte Fragestellung: Wie lässt sich das Instrument der „Startups“ auch im Non-Profit-Sektor sinnvoll einsetzen? Wie gelingt es, Risikokapital zu gewinnen das bereit ist, in Non-Profit-Startups zu investieren? Kann es beispielsweise eine „Höhle der Löwen“ oder einen „Shark Tank“ für soziale Startups geben?
Damit meine ich, dass auf der einen Seite Investoren für soziale Projekte stehen die bereit sind, in soziale Projekte bzw. Startups zu investieren, ohne die Erwartung an einen Return on Investment. Auf der anderen Seite gibt es innovative, soziale Startups, die Gründerhilfe brauchen. Wie kommen beide zusammen? Kann es Aufgabe der Diakonie sein, solche Formate ins Leben zu bringen? Das verlangt auch auf Seiten der Diakonie viel Gründermut und Risikobereitschaft, um wirklich Innovatives zu entdecken und nicht alten Wein in neuen Schläuchen zu fördern.
Oder wo kann die Diakonie mit ihrem KnowHow Startups im Profitbereich unterstützen, die mit ihren Lösungen auch für die Diakonie interessant sind.
Vor-Denker und Quer-Denker gesucht
Ein letztes: Was die Diakonie dringend braucht sind neue Gründer und Entdecker, die einerseits Trends und Entwicklungen im „Wirtschafts-Markt“ erkennen und diese transferieren in den „Sozial-Markt“. Auf der anderen Seite braucht es Diakoniker, die den umgekehrten Weg gehen und so Brücken schlagen. Beide zu gewinnen und zu fördern, muss eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben des Verbandes werden.
Nur so besteht meiner Meinung nach die Chance, aus der Nische in den Markt zu kommen, auf dem die Gründerväter und -mütter seinerzeit waren. Wir haben heute einiges nachzuholen.
100 Prozent Zustimmung. Und was Sie schreiben gilt in weiten Teilen auch für Landeskirchen.